9. Spieltag – Magdeburg (H)
Wie mit sexualisierter Gewalt in der Fanszene umgehen? Bericht einer Veranstaltung
Am Freitag vor dem Heimspiel gegen Paderborn organisierten wir als Förderkreis Nordtribüne e. V. eine Veranstaltung über sexualisierte Gewalt in der Fanszene. Trotz teilweise strömenden Regens fanden über 120 Interessierte ihren Weg ins Volksparkstadion.
Nachdem Patrick (Moderator Volksparkett) alle Anwesenden begrüßte, gab Paula (Netzwerk Erinnerungsarbeit) den Anwesenden eine Einführung ins Thema. So beschreibt sexualisierte Gewalt eine große Bandbreite an Grenzverletzungen, die von Hinterherrufen, über unangemessene Nachrichten bis hin zu unerwünschtem Körperkontakt oder Vergewaltigung gehen kann. Wir erfuhren: Sexualisierte Gewalt befriedigt kein sexuelles Lustempfinden, sondern die Person, die die Grenzen der betroffenen Person überschreitet, demonstriert damit bewusst oder unbewusst ihre Macht.
Nachdem zwei junge Frauen beim DFB-Pokalhalbfinalspiel gegen Freiburg 2022 einen sexualisierten Übergriff in 25A erleben mussten, positionierten sich die aktiven Gruppen der Nordtribüne erstmals geschlossen gegen derlei Verhalten. Ein wichtiges Statement! Und dennoch: Trotz öffentlicher Positionierung, wird es weiter zu solchen Vorfällen kommen, daher stellt sich die Frage, wie wir als Fanszene am besten damit umgehen?
Der Förderkreis Nordtribüne e. V. hat den Anspruch in Fällen von sexualisierter Gewalt betroffenenorientiert zu handeln, in dem Wissen, dass das oft nicht so leicht ist. Betroffene Personen von sexualisierter Gewalt können unterschiedliche Wünsche haben, wie sie damit umgehen wollen und diese können nicht betroffenen Personen logisch oder auch total widersprüchlich erscheinen. Betroffene Personen sind weiterhin mit der Situation konfrontiert, dass ihnen oftmals nicht geglaubt oder ihr Erlebtes in Frage gestellt oder relativiert wird. „Die ist doch selber schuld, wenn sie sich so anzieht“ oder „Ach, der war da nur besoffen, der würde das sonst nicht tun“ sind nur zwei Beispiele von vielen, wie die grenzüberschreitende und nicht die betroffene Person geschützt wird.
Nach dem Einführungsvortrag stellte Nadine (HSV Fankultur) die vereinseigene Anlauf- und Schutzstelle für Betroffene von Diskriminierung vor: den Ankerplatz. Seit der Rückrunde 2019/2020 können hier Personen, die Diskriminierung oder Gewalt (mit-)erlebt haben, Unterstützung finden. Die Anlaufstelle ist auch für Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen wie Autismus und Epilepsie. Wer den Stand noch nicht kennt, schaut gerne mal vorbei, damit ihr im Zweifel wisst, wo ihr ihn findet.
Der Ankerplatz ist im Stadionumlauf hinter Block 22/23 ab Stadionöffnung bis eine Stunde nach Abpfiff zu finden. Außerdem telefonisch am Spieltag unter 040 4155 22 und außerhalb der Spieltage per Mail unter ankerplatz@hsv.de zu erreichen.
Im Anschluss berichteten zwei weitere weibliche und ein männliches Fanszenemitglied über ihre Erfahrungen bezüglich sexualisierter Gewalt im Fußball. So erleben die Frauen meist dann Übergriffe im Fußball, wenn sie sich am Spieltag außerhalb ihrer Gruppe bewegen, z. B. beim Zeigen eines Spruchbandes in einem anderen Block oder beim Sammeln von Choreospenden im Stadionumlauf. Begriffe wie das F-Wort, homofeindliche Gesten oder andere sexistische Sprüche sind immer noch Alltag im Fußball. Nach einem Übergriff würden sich in der Fanszene sicherlich immer Leute finden, die den Täter umhauen, aber ist das auch immer das, was sich die betroffene Person in dem Moment wünscht? Auf dem Podium waren sich alle einig: Um sexualisierte Gewalt zu begegnen, braucht es ein Umdenken von allen Personen aus der Fanszene. Klar war auch: Die Beschäftigung mit dem Thema ist mit dieser Veranstaltung nicht abgeschlossen, vielmehr hat sie gerade erst begonnen. Wir stehen nicht nur für Mitglieder der Fanszene ein, die von der Polizei oder anderen Feinden angegriffen werden, sondern wir verhalten uns auch solidarisch gegenüber denjenigen, die übergriffiges Verhalten und andere Formen von Diskriminierung erfahren.
Danke an das Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt, aus deren Flyerinhalt zum Umgang mit sexualisierter Gewalt wir einen für unsere Nordtribüne gebastelt haben. Den findet ihr ab sofort am Nordtribüne-Stand. Der Erlös aus der Veranstaltung geht an den Frauennotruf Hamburg. Wer sich noch weiter informieren möchte, sei der Podcast vom Netzwerk Erinnerungsarbeit über sexualisierte Gewalt im Fußball ans Herz gelegt.
Stellungnahme zum Polizeieinsatz in Kirchweyhe
Fanhilfe Nordtribüne bezieht Stellung zu Polizeieinsatz in Kirchweyhe, bei dem mehrere hundert HSV-Fans als Zeug*innen festgestellt wurden. Die Fanorganisation kritisiert zudem die auf Unwahrheiten basierende Berichterstattung.
Auch am Sonntag machten sich wieder viele HSV-Fans auf den Weg zum Auswärtsspiel ihres Vereins. Auf der Anreise kam es zu einer mehrstündigen polizeilichen Maßnahme am Bahnhof Kirchweyhe, in deren Folge mehrere hundert HSV-Fans das Spiel bei Fortuna Düsseldorf verpassten. Die Umstände der Maßnahme und die Berichterstattung über diese zwingen uns dazu, zu diesem Vorfall noch einmal ausführlicher Stellung zu beziehen.
In einem Wagen eines Regionalzugs zwischen Bremen und Osnabrück, in dem auch HSV-Fans saßen, soll es zu einer Auseinandersetzung von anderen Bahngästen und dem Einsatz eines Feuerlöschers im Zuginneren gekommen sein. Zwei Personen, die auch den Feuerlöscher im Inneren des Zuges entleerten, sollen dabei verletzt worden sein. Diesen wünschen wir eine gute Genesung.
Im Folgenden gaben die eingetroffenen Polizeikräfte an, dass für eine Feststellung von potenziellen Zeug*innen die Identitäten aller anwesenden HSV-Fans festgestellt werden müssten. Diese hatten sich mittlerweile auf dem gesamten Bahnsteig verteilt. Über mehrere Stunden wurden die Personalien der HSV-Fans festgestellt und Fotos von ihnen angefertigt. Unklar bleibt, wieso die Polizei offenbar allein an den Identitäten sämtlicher HSV-Fans auch aus anderen Teilen des Zuges interessiert war und nicht einmal versucht hat, Reisende aus dem betroffenen Waggon ausfindig zu machen. Dass ein Großteil der Anwesenden keinerlei Angaben zum Sachverhalt machen konnte und mit der Maßnahme nicht einverstanden war, war den Polizeikräften durch ausdrückliche Hinweise bekannt.
Im Anschluss wurde die Maßnahme beendet und allen HSV-Fans freigestellt, die Fahrt Richtung Düsseldorf fortzusetzen. Es wurde weder die Weiterfahrt zum Spiel untersagt, noch wurden HSV-Fans festgenommen. Die anwesenden HSV-Fans entschieden frei und selbstständig, die Rückfahrt nach Hamburg anzutreten, da ein Erreichen des Spielorts während des Spiels auch aufgrund von Verzögerungen nach dem Ende der polizeilichen Maßnahme nicht mehr möglich war. Die betroffenen HSV-Fans wurden auf der Rückreise nach Hamburg nicht von Einsatzkräften der Bundespolizei eskortiert.
Aufgrund der stundenlangen Sperrung der Bahnstrecke zwischen Bremen und Osnabrück wegen der Feststellung potenzieller Zeug*innen erreichten auch hunderte andere HSV-Fans, die mit Zügen unterwegs waren, das Stadion erst zur 2. Halbzeit. Darüber hinaus waren auch unzählige andere Reisende von der Sperrung betroffen, die Flüge verpassten, zu spät zur Arbeit kamen oder ihren Besuch bei der Verwandtschaft absagen mussten.
Es drängt sich die Frage auf, ob die Identifizierung von einigen wenigen Zeug*innen das Festhalten und Feststellen von mehreren hundert Personen mit den gravierenden Einschränkungen für den Bahnverkehr rechtfertigt. Geradezu offensichtlich ist die Frage, warum von mehreren hundert potenziellen Zeug*innen, deren Identität über die vorliegenden Personalausweise zweifelsfrei festgestellt werden konnte, Fotos angefertigt werden mussten. Bei einigen der potenziellen Zeug*innen wurden darüber hinaus noch Fotos von der Seite oder bestimmten Körperteilen gemacht – so wie es bei Beschuldigten üblich ist. Diese Praxis wurde erst nach Intervention der Fanhilfe Nordtribüne eingestellt. Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Nicht-Beschuldigten sind unter diesen Umständen nicht nur nicht notwendig, sondern vor allem unzulässig. Wir werden dieses gegen Fußballfans mittlerweile bekannte Vorgehen auch in diesem Fall juristisch überprüfen lassen.
Fassungslos sind wir allerdings darüber, dass ein Sprecher der Polizei Niedersachsen gegenüber der Presse nachweislich Unwahrheiten verbreitet und so ursächlich dazu beigetragen hat, dass in der bundesweiten Berichterstattung das Bild von mehreren hundert randalierenden HSV-Fans gezeichnet wird, welche auf wehrlose Fahrgäste einprügeln. Wir halten deswegen noch einmal fest: Unter den anwesenden HSV-Fans wurden einige wenige Zeug*innen gesucht. Es wurde weder die Weiterfahrt zum Spiel untersagt, noch wurden HSV-Fans festgenommen. Alle Pressevertreter*innen fordern wir auf, sich den Aufruf des Deutschen Journalisten-Verbandes zu Herzen zu nehmen und „Polizeiberichte und -meldungen als eine von mehreren möglichen Quellen in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen“. Die Vorgänge vom Sonntag zeigen wieder einmal, warum das unkritische Abschreiben von Polizeimeldungen ein Problem ist.
Am Ende dieses Tages bleiben viele Kollateralschäden eines Polizeieinsatzes und einige offene Fragen. Betroffene Personen können sich per Mail (fanhilfe@nordtribuene-hamburg.de) bei uns melden.
Fanhilfe Nordtribüne
im Oktober 2024
Wintermarkt im Volksparkstadion
Am Sonnabend, den 16. November 2024, öffnete das Volksparkstadion seine Tore für einen ganz besonderen Auftakt in die Winterzeit: Zusammen mit dem Supporters Club hat der Förderkreis Nordtribüne zum Start des diesjährigen Winterprogramms von 16 bis 22 Uhr zum großen Wintermarkt in das HSV-Wohnzimmer eingeladen. Das hat es zuvor noch nicht gegeben und markiert einen weiteren Meilenstein in Punkto karitative Arbeit für unseren Verein.
Unter dem Motto „Von Fans für Fans“ präsentierten die Fanszene und viele Sportabteilungen des HSV im A-Rang des Volksparkstadions sowie auf Teilen der Westplaza ein buntes Programm voller winterlicher Leckereien, heißen Getränken und stimmungsvoller Musik. Um im Kreise der HSV-Familie gemeinsam Gutes zu tun, ließen die Standbetreibenden den Großteil ihrer Verkaufserlöse der Caritas Krankenstube für Obdachlosenhilfe zugutekommen. Die Gesamtsumme wird zeitnah bekannt gegeben.
Wir sind immer noch überwältigt von der tollen Veranstaltung und der großen Zahl an Menschen, die unserer Einladung gefolgt sind und der riesigen Bereitschaft einer wichtigen Organisation im Herzen unserer Stadt zu helfen. Ohne die engagierten Standbetreibenden und die zahlreiche ehrenamtliche Unterstützung wäre dieses Event nicht möglich gewesen. Ein riesiges Dankeschön an alle!
Eine Auswahl an Impressionen vom Wintermarkt 2024 findet ihr anbei in unserer Fotogalerie:
Aufruf zur Sachspende
Im Rahmen des Wintermarktes wurde zu Sachspenden von neuwertigen Schlafsäcken, Rucksäcken und Isomatten aufgerufen. Von Kleiderspenden wurde abgesehen. Die Spenden konnten direkt beim Eingang des Wintermarktes abgegeben werden, wo eine entsprechende Abgabestelle eingerichtet war.
„Besonders jetzt im Winter sind obdachlose Menschen darauf angewiesen, Unterstützung zu erfahren. Schlafsäcke und Isomatten können in kalten Nächten Leben retten!“, betonte Todde als Sozialarbeiter der Caritas.
Wir für unsere Stadt!