Alt, reich, uneinsichtig – Der Fall Kühne+Nagel und der Nationalsozialismus

 

Dieser Text ist in der zweiten Ausgabe des Bahrenfelder Anzeigers erschienen, dessen Erwerb wir euch wärmstens ans Herz legen. Aufgrund der Relevanz des Themas veröffentlichte zunächst Forza Hamburg den Text. Aus dem aktuell gegebenen Anlass möchten wir euch den Text auch hier zur Verfügung stellen.

Die Person Klaus-Michael Kühne dürfte nahezu allen HSVer*innen ein Begriff sein: Von vielen wurde und wird er als potenzieller Heilsbringer und großzügiger Gönner gefeiert und von einigen wenigen wiederum seit jeher kritisch beäugt, vor allem aufgrund seiner federführenden Rolle bei der Ausgliederung der Profifußballabteilung aus dem HSV e. V. im Jahre 2014. Jüngst sicherte sich der Milliardär erst wieder bis zum 30. Juni 2023 die Namensrechte am Volksparkstadion. Doch auch fernab von der eigenen Haltung zur längst vollzogenen Ausgliederung oder der voranschreitenden Kommerzialisierung des Profifußballs, möchte ich in diesem Text eine andere, viel tiefer greifende Problematik aufgreifen, die sich mir in den letzten Jahren immer wieder aufgedrängt hat, aber im HSV-Kontext leider noch nicht wirklich thematisiert werden konnte. Es geht schlicht und ergreifend darum, woher eigentlich dieses ganze Geld stammt, was Kühne seit nunmehr acht Jahren in den HSV pumpt. Damit möchte ich weniger mit dem moralischen Zeigefinger auf eine Person zeigen, die so unfassbar reich ist, dass sie ganz offenkundig gar nicht weiß wohin mit der ganzen Kohle – abgesehen von der frühen Gewissheit sowohl den Firmensitz von Kühne+Nagel als auch das eigene Milliardenvermögen in der steuerfreundlichen Schweiz zu parken. Nein, es geht um die NS-Vergangenheit eben genau jener Firma, der Klaus-Michael als Firmenerbe und Hauptanteilseigner seinen Reichtum verdankt, wie Kühne damit umgeht und warum es nicht mit den Werten, für die der HSV einsteht, vereinbar ist.

Zuerst einmal: Ja, so ziemlich alle deutschen Firmen, deren Anfänge auf die Zeit vor 1945 zurückgehen, waren zu unterschiedlichen Graden in den Nationalsozialismus verstrickt. Adidas, Daimler, Bayer – die Liste von renommierten Firmen, die in der NS-Zeit nicht bloße Opfer ihrer Umstände waren, sondern fleißig mitwirkten und profitierten, ist lang. In diese Reihe gesellt sich auch Kühne+Nagel als heute drittgrößter Spediteur der Welt, damals als “nationalsozialistischer Musterbetrieb” ausgezeichnet. Der Historiker Frank Bajohr vom Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München spricht nicht umsonst von einer “relativen Nähe zum Massenmord.” Entgegen späterer Beteuerungen, es hätte sich um eine einvernehmliche Trennung gehandelt, wurde schon 1933 der jüdische Hauptanteilseigner Adolf Maass entschädigungslos von den Brüdern Werner und Alfred Kühne aus der Firma gedrängt. Wie Ulrike Sparr recherchierte, bezeichnete Maass’ Sohn Gerhard die Kühne-Brüder später konträr zu dem von ihnen bemühten Mitläufer-Image als “einflussreiche Nazis” und während Gerhards Eltern 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1945 in Auschwitz ermordet wurden, lebten die Kühnes in Saus und Braus. Dadurch, dass sie sich und ihre Logistikfirma in den Dienst des NS-Regimes stellten, konnten sie sich Rekordgehälter auszahlen lassen, von denen sie u.a. zahlreiche Immobilien erwarben, wie etwa die “arisierte” Villa Lichtensee in Hoisdorf bei Hamburg. Neben Raubkunsttransporten aus den besetzten Gebieten und sogar Versorgungslieferungen für die Wehrmacht, basierte ihr wirtschaftlicher Erfolg vor allem auf Kühne+Nagels Quasimonopol beim Transport bzw. der “Verwertung” Eigentums jüdischer Deportierter aus den besetzten Gebieten – der sogenannten M-Aktion. So wurden mit tatkräftiger logistischer Unterstützung der Firma von 1941 an über siebzigtausend Wohnungen leergeräumt und die zurückgelassenen Besitztümer in tausenden Zugwaggons und Schiffsladungen nach Deutschland transportiert. Hier wurden diese unter Wert auktioniert oder an Ausgebombte verteilt, um die Kriegsmoral der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Der Journalist Henning Bleyl konnte zudem rekonstruieren, wie die Internationalisierung der Firma und die damit verbundene Infrastruktur, welche das Fundament für den Erfolg der Firma nach 1945 bildete, “in den Fußstapfen der Wehrmacht” erfolgte. Neue Niederlassungen des Spediteurs folgten der Spur des Nationalsozialismus – von Rotterdam bis nach Lissabon, von Genua bis nach Riga. Alfred und Werner Kühne wurden deshalb nach dem 2. Weltkrieg im Prozess der “Entnazifizierung” Westdeutschlands in der zweithöchsten Belastungskategorie als “Aktivist und Nutznießer” geführt, ehe sie auf Initiative der US-Militärregierung als “Mitläufer” entlastet wurden und schon 1948 wieder ihre Firma führen durften – allem Anschein nach, weil die Militärregierung auf deren Logistiknetzwerk angewiesen war. Im Kontrast dazu und der späteren Verleihung des Bundesverdienstkreuz für Klaus-Michaels Vater Alfred stand die Behandlung von Geschäftspartnern der Kühnes im Ausland. So wurde bspw. ihr niederländischer Geschäftspartner Abraham Puls, der ebenso an der M-Aktion beteiligt war, zunächst als Kollaborateur zu Tode verurteilt, ehe dies in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde. Fest steht also: Die Firma Kühne+Nagel hat an der massenhaften Verfolgung, dem Raub und der letztendlichen Ermordung von Juden und Jüdinnen in der NS-Zeit prächtig verdient und war somit Mittäter. Darüber hinaus basiert der Nachkriegserfolg des Spediteurs nicht zuletzt auch maßgeblich auf der eigenen NS-Komplizenschaft und der damit einhergehenden internationalen Expansion. Konsequenzen gab es hingegen für die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime bis heute kaum.

Und so kommen wir zum Thema Aufarbeitung im Hause Kühne+Nagel. Die kürzlich verstorbene Holocaustüberlebende und Aktivistin Esther Bejarano predigte jahrzehntelang Schüler*innen in Deutschland: “Ihr seid nicht schuld an dieser schrecklichen Zeit, aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über die Geschichte wissen wollt.” Diese Selbstverständlichkeit scheint aber leider an Klaus-Michael Kühne vorbeigegangen zu sein. Denn die Aufarbeitung der Firmengeschichte Kühne+Nagels gleicht bis zum heutigen Tage, 77 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, einer Farce. Zwar gab es seit 2015 ein prinzipielles Eingeständnis einer Teilschuld, nachdem zuvor verlautet worden war, dieser Zeit mangele es an “Relevanz für die Firmengeschichte”. Nichtsdestotrotz zeichnete sich der Umgang mit diesem Thema bislang noch immer maßgeblich durch Relativierung und Blockierung konsequenter Aufarbeitungsversuche von außen aus. In der Festschrift zum 125-jährigen Bestehens des Unternehmens bekennt sich Kühne+Nagel zu einer gewissen Mittäterschaft, die das Unternehmen bedauere, aber als unvermeidlich für den Fortbestand der Firma beschrieb. Auch Klaus-Michael bekräftigte diese zynische Erzählung vom unvermeidlichen “Zwang des Krieges” später in einem Interview – gegenläufig zu den Darstellungen unabhängiger Historiker*innen, die Kühne+Nagel bescheinigen, sie hätten sich “eifrig in den Dienst der Gestapo gestellt” (Johannes Beermann), um sich die Monopolstellung in den Möbeltransporten aus den besetzten Gebieten zu sichern. Unabhängigen Historiker*innen wird im Gegenteil auch noch die Einsicht in Firmenarchive verweigert, unter Zuhilfenahme der unlängst stark angezweifelten Behauptung, entsprechende Bestände seien 1944 einem Bombenangriff zum Opfer gefallen und sowieso wolle man die Geschehnisse lieber firmenintern aufarbeiten. Ebenso wurden Vorstößen in Bremen, ein Arisierungsmahnmal unweit der Firmenzentrale zu installieren, wieder und wieder Steine in den Weg gelegt und die Mitfinanzierung vom Milliardenkonzern und seinem selbsternannten hanseatischen Chef-Philanthrop versagt. Daraufhin protestierten Aktivist*innen mit einem riesigen “Auf Raub gebaut”-Transparent vor Kühne+Nagels Firmensitz. Bei Kühne selbst stießen dieses Engagement und kritische Pressenachfragen, die dieses Thema immer wieder “hochkochen”, auf Unverständnis. Dies hätte in seiner Wahrnehmung ja in den 1950er- und 1960er-Jahren Sinn ergeben, aber heute käme es für ihn überraschend, dass dies wieder thematisiert werde. Trotz fehlender Aufarbeitung scheint also Klaus-Michael als direkter Nachkomme und Nutznießer der Täter stellvertretend für die Opfer des Nationalsozialismus ihre Verbrechen vergeben und vergessen zu haben. Wie überaus großzügig von ihm.

Was also ergibt sich nun daraus für uns HSVer*innen? Niemand wird so realitätsfern sein, eine Distanzierung oder gar eine komplette Lossagung von Kühne zu erwarten. Aber es ist allerhöchste Zeit den Widerspruch zwischen den vom HSV propagierten Werten und diesem Hintergrund Kühnes zu problematisieren – gerade durch uns Fans. Auch der Umstand, dass in der Fanszene vom ungeliebten SV Werder Bremen dies bereits mit einem Spruchband (“Kühne – Dienstleister des Faschismus”) getan wurde – und das ohne, dass der Verein einen derartig engen Bezug wie der HSV zu Kühne aufweist – sollte noch einmal als dringender Reminder fungieren, sich dieser Aufgabe zu stellen. Denn Kühne ist Anteilseigner und Mäzen unseres HSV und ich persönlich werde mich neben allgemeinen Bedenken der Beständigkeit eines solchen Modells wohl so lange nicht wirklich darüber freuen können, im Volksparkstadion zu spielen, bis diese Sache nicht thematisiert wird. Ich persönlich möchte nicht in einem Volksparkstadion spielen, das auf Gönnerbasis von Geldern eines uneinsichtigen Nazierben finanziert wird. Deshalb muss es darum gehen, den öffentlichen Druck auf Kühne und sein Unternehmen zu erhöhen, die Firmengeschichte im Nationalsozialismus endlich kompromisslos aufzuarbeiten. Denn auch wenn Klaus-Michael selbst damals nicht aktiver Mittäter an diesem massenhaften Mordraub war, so basiert sein Wohlstand und somit auch das Geld, das er in den HSV pumpt, auf diesen Machenschaften und er macht sich mitschuldig, solange er sich weigert seiner Verantwortung nachzukommen. Auch der HSV muss sich die Kritik gefallen lassen, dass er nicht konsequent für die Werte einsteht, die er nach außen trägt. Es ist unser aller Aufgabe dafür Sorge zu tragen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt und dass aus ihr gelernt wird. Und wenn sich der sture steuervermeidende Milliardärsopa mit Nazihintergrund weigert diese Aufgabe zu erfüllen, dann müssen wir es eben sein, die darauf hinwirken, dass dieser Teil der Geschichte nicht vergessen, sondern konsequent aufgearbeitet wird.

Love Hamburg, Hate Fascism!

Mitgliederversammlung: Der HSV braucht Veränderung 2.0

Nachfolgend dokumentieren wir einen Text der Initiative Unser HSV:
Rund neun Monate nach der letzten Mitgliederversammlung des HSV, findet am kommenden Mittwoch, den 22.06.2022 die nächste ordentliche Mitgliederversammlung unseres Vereins statt. Gleichlautend zum letzten Jahr könnte auch der Titel dieses Textes nicht passender sein – der HSV braucht Veränderungen, und zwar weitreichendere als die bisher vorgenommenen. Gerne möchten wir an dieser Stelle nochmal ausdrücklich auf die DFL Taskforce Zukunft Profifußball mit ihrem Ergebnisbericht hinweisen. Außerdem bieten die Initiativen „Unser Fußball“ sowie „Zukunft Profifußball“ viele Anregungen für einen Fußball von morgen.
Die notwendigen Veränderungen beim HSV betreffen jedoch nicht nur den HSV e.V. oder die HSV Fußball AG samt aller Gremien, Vorstände, Mitarbeiter*innen sowie Sponsoren & Partner, sondern uns alle – Mitglieder, Ehrenamtliche, Fans & Sympathisanten. Es ist an der Zeit den Fußball und den HSV neu zu denken!
Sommer 2021 war für uns der Startschuss den Veränderungsprozess beim HSV mit anzuschieben, zu begleiten und zu beobachten. Beispielsweise wurden von zwei Mitstreitern unserer Initiative Anträge zum Thema Rechtsform und Nachhaltigkeit eingereicht. Gerne hätten wir euch an dieser Stelle zu beiden Anträgen mehr Einblicke gegeben, aber leider gibt es zu beiden Projekten nach mehreren Monaten keine konkreten Ergebnisse. Hier hätten wir uns im Herbst letzten Jahres mehr Dynamik gewünscht. Im August werden wir uns, dann 12 Monate nach Antragsstellung, an dieser Stelle mit einem Zwischenfazit ausführlicher melden.
Anders als bei den beiden Anträgen ist im HSV-Kosmos seit der letzten Mitgliederversammlung durchaus einiges passiert. Ein Vorstandsmitglied hat den HSV verlassen, der Aufsichtsrat wurde reformiert und aus deren Personenkreis ein neuer Vorstand interimsweise entsandt. Zudem wurden neue Sponsoren akquiriert, Partnerschaften geschlossen und auch im sportlichen Bereich zeigte der HSV ein anderes Gesicht. Nachdem der Aufstieg in der Relegation knapp verpasst wurde, verfällt der HSV in diesem Sommer anscheinend nicht in alte Verhaltensmuster, sondern versucht sein Grundgerüst Saisonübergreifend zu halten. Vergleichen wir jedoch den HSV heute mit dem vor zwei Jahren, so scheint in vielen strukturellen Bereichen die Entschlossenheit zu fehlen, den HSV authentisch und ernsthaft verändern zu wollen. An dieser Stelle würden wir gerne an die Texte des Förderkreis Nordtribüne e.V. aus dem November 2020 erinnern. Dort wurden bereits viele Anregungen zu den Themen Gesellschaftliche Verantwortung, Einfluss von Investoren und Nachhaltiges Wirtschaften gegeben und kritisch Stellung bezogen.
Um beim HSV den Veränderungsprozess seit der letzten Mitgliederversammlung genauer einzuschätzen, fehlt jedoch an manchen Stellen die Transparenz. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das Programm „Vereint 2025“ vom Präsidium auf den Kanälen des HSV veröffentlicht worden wäre, um die bisherigen Vorgänge und weitere mögliche Schritte besser einordnen zu können. Viele der geplanten Maßnahmen, Neuordnungen und Prozesse bleiben bisher offen. Beispielsweise ist bisher weder die Rolle des Expertengremiums bekannt, noch deckt der Aufsichtsrat der HSV Fußball AG alle notwendigen und angekündigten Kompetenzen ab. Wir erinnern uns, dass sich das Präsidium auf der letzten Mitgliederversammlung dafür aussprach, im AG-Aufsichtsrat alle relevanten Kompetenzen und Interessen (z.B. Finanzen, Marketing, Recht, Nachhaltigkeit und vor allem aber Fankultur) abzudecken. Welche Kompetenzen im Einzelnen durch wen abgedeckt werden und an welchen Stellen diese grundsätzlich gute Idee noch nicht umgesetzt wurde, können wir mangels Unterlagen zu „Vereint 2025“ nicht endgültig bewerten, hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Trotzdem stellen wir gegenwärtig fest, dass die angekündigte Kompetenz Fankultur weiterhin im Aufsichtsrat nicht abgedeckt wird.
Gleichwohl erkennen wir beim derzeitigen Präsidium ein konsequentes Bestreben den HSV zu reformieren, was auch uns nicht verborgen bleibt und was wir durchaus anerkennen. Wenn Barrieren weiter aufgebrochen und Synergien genutzt werden, können wir gemeinsam noch viel bewegen.
Zum Schluss würden wir gerne noch inhaltliche Einschätzungen zur kommenden Mitgliederversammlung abgeben. Auf der Tagesordnung finden sich nämlich ein paar durchaus interessante Anträge wieder.
Durchaus irritiert haben wir den Antrag von Rainer Ferslev aufgenommen. Dieser beantragt, die Umwandlung der AG in eine KgaA nach Vorbild des BVB vorzubereiten und einzuleiten, um nächstes Jahr ein fertiges Konzept zu haben, über das dann abzustimmen wäre. So sehr wir auch die Bemühungen und das Interesse an einer strukturellen Reform begrüßen, so wenig können wir diesen Antrag verstehen mit Blick und Verweis auf die tagende Arbeitsgruppe zum Thema neue Rechtsform der HSV Fußball AG. Wir haben auf der vergangenen Mitgliederversammlung beantragt, dass eine Arbeitsgruppe die jetzige Struktur mit möglichen Alternativen vergleichen und prüfen möge, ob es besser geeignete Rechtsformen gibt.
Wir appellieren hier eindringlich, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten und eine ergebnisoffene Debatte zu ermöglichen. Dem Antrag von Herrn Ferslev zuzustimmen, würde bedeuten, sich bereits auf eine konkrete Rechtsform festzulegen, indem diese vorbereitet werden soll, noch bevor es Erkenntnisse aus der Arbeitsgruppe dazu geben konnte. Zu erwähnen hierbei ist noch, dass ein KgaA-Antrag bereits in Vergangenheit in ähnlicher Form eingereicht wurde, aber keine Mehrheit erzielen konnte. Zusätzlich hat das überstürzte 1:1-Kopieren der Rechtsform und -struktur erfolgreicher Vereine bereits in der Vergangenheit zu tiefen Gräben und Zwietracht in der Mitgliedschaft geführt. Eine Wiederholung von 2014 wollen wir unbedingt vermeiden und die beste Rechtsform für unseren HSV finden, unabhängig von anderen Vereinen. Diesen Antrag lehnen wir demzufolge ab und plädieren dafür, nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen zu wollen.
In dem Antrag von Herrn Hunke, den Verkauf weiterer AG-Anteile an die Ligenzugehörigkeit zu koppeln, sehen wir das Bemühen, im Falle eines weiteren Anteilsverkaufes einen möglichst guten Preis zu erzielen. Grundsätzlich stehen wir Anteilsverkäufen kritisch gegenüber, besonders an Einzelpersonen in Kombination mit der Vergabe von Posten und Ämtern. Demnach finden wir es zwar gut, wenn die Hürden für Anteilsverkäufe erhöht werden sollen. Allerdings setzt Herr Hunke mit seinem Antrag gewissermaßen voraus, dass die AG als Rechtsform erhalten bleiben wird. Wir verweisen erneut auf die Arbeitsgruppe, die 2021 von der Mitgliedschaft beauftragt wurde, die Rechtsform zu prüfen. Abschließend möchten wir Zweifel an der rechtlichen Grundlage äußern, die vermutlich auch die Verbindlichkeit eines solchen Antrag aufweichen würde, sodass wir uns auch gegen diesen Antrag aussprechen.
Auch wenn wir mit einigen gestellten Anträgen inhaltlich nicht übereinstimmen, so freut es uns dennoch, dass der HSV auf die Menschen und aktiven Mitglieder nach wie vor eine Faszination ausübt und auch weiter die Menschen von nah und fern bewegt. Umso unverständlicher ist für uns, dass die Mitgliederversammlung, immerhin höchstes Organ unseres Vereins, auf einem Mittwochabend stattfindet. Die misslungene Ansetzung dürfte dazu beitragen, dass die Zahl der anwesenden Mitglieder einen Tiefstand erreichen könnte. Die oft vom HSV beschriebenen Attraktivitätssteigerung der Mitgliederversammlung wird so garantiert nicht erreicht – Ganz im Gegenteil: Die aktive Teilnahme an der MV wird dadurch erschwert. Das Argument, dass es keine andere Möglichkeit gegeben habe, können wir in Anbetracht des jährlich stattfindenden Termins überhaupt nicht nachvollziehen. Wir hoffen, dass diese Ansetzung einmalig bleibt und dass künftige Mitgliederversammlungen wieder wie gewohnt an einem Wochenendtermin stattfinden.
Kommt alle zur Mitgliederversammlung am 22.06.22, sie ist das höchste Organ im HSV!
Initiative Unser HSV im Juni 2022

Die neue Partnerschaft beim HSV

 

Moin Nordtribüne,

erinnert Ihr Euch noch an die Textreihe Ende 2020? Falls nicht, dann gibt’s hier nochmal eine kurze Zusammenfassung. Wir haben im Wochenrhythmus vier Texte in Anlehnung an die Thematik „Zukunft Profifußball“ veröffentlicht. Die Resonanz war großartig, die Hamburger Presse kam auf uns zu, Mitglieder gaben positives Feedback und wie der Flurfunk es vermitteln ließ, waren auch viele Personen beim HSV davon begeistert. Einiges ist seitdem auch passiert, unter anderem wurden interessierte Personen bei bestimmten Themen mit eingebunden – wir begrüßen diese Art und Weise der Zusammenarbeit und freuen uns auf mehr. Dennoch muss angenommen werden, dass der HSV ein Kernthema dieser Textreihe komplett vergessen hat – und zwar das Thema Nachhaltigkeit neben dem Platz. Das lassen wir uns nicht gefallen und analysieren den neuen Partner vom HSV und dem Hamburger Weg. Wir maßen uns nicht an, schlauer als viele renommierte Expert:innen zu sein, jedoch ist die Klimakrise nicht von der Hand zu weisen. Aus diesem Grund ist eine Zusammenarbeit mit einem Konzern, der in den letzten Jahrzehnten einen enormen Anteil dazu beigetragen und genauso enorm daran verdient hat, nicht tragbar.

Neuer Partner? Ja genau, still und heimlich hat der HSV am 16.06.2022 auf der Webseite bekannt gegeben, dass der HSV und der Hamburger Weg in Zukunft mit der Shell Deutschland GmbH zusammenarbeiten werden, sprich: sich sponsern lassen. So soll gegenseitig voneinander profitiert werden, die Gesellschaft positiv geprägt und gemeinsam in die Zukunft gegangen werden. Der HSV baut vor allem auf die Kompetenzen im Bereich Energie und Mobilität. Von Seiten Shells soll die Dekarbonisierung im urbanen Raum der Stadt Hamburg vorangetrieben werden. Der HSV wird dabei als lokaler Partner gesehen, der diesen Prozess beschleunigen soll.

Weiter heißt es in dem Text, dass Shell bis 2050 ein Netto-Null-Emissionsunternehmen sein möchte. Die schwarze Null, so schön sie auf den ersten Blick auch sein mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als dreiste Greenwashing-Aussage und es macht uns stutzig, dass diese leicht als solche enttarnbaren Phrasen 1:1 vom HSV übernommen werden. Warum?

Kurz gesagt: Shell schönt die eigene Netto-Null-Rechnung und bezieht nur die sogenannten Scope 1 und 2-Emissionen mit ein. Also solche, die bei Herstellung, Aufbereitung und Bereitstellung des Kraftstoffs anfallen. Der größte Anteil, der beim Verbrennen, also durch das Autofahren, entsteht, wird dabei entgegen mehrerer Gerichtsurteile einfach ignoriert. Doch dazu weiter unten mehr. Insgesamt fehlt es der blumigen Pressemitteilung mit weichen Worten an konkreten Inhalten, sodass wir folgende Fragen haben:

Welche Ziele will Shell mithilfe dieser Partnerschaft erreichen? Das bloße Aufzählen von Schlagworten „Ladesäuleninfrastruktur, Elektroauto-Abo oder Strom und Gas aus alternativen Energien“ ersetzt jedenfalls keine Zielsetzung.
Ebenso wenig wie ein Ziel werden Mittel oder Wege dieser Partnerschaft detailliert aufgezeigt. Wenn schon nicht klar ist, was durch diese Partnerschaft erreicht werden soll, sollte im Sinne der Glaubwürdigkeit und der Transparenz wenigstens klar werden, wie genau zur Dekarbonisierung beigetragen werden soll?
Zu guter Letzt: Wie genau soll der HSV-Beitrag zur Beschleunigung der Energiewende aussehen? Kriegt Shell das nicht auch ohne den HSV hin?

Die Pressemitteilung in ihrer jetzigen Fassung lässt leider keinen anderen Schluss zu, als dass sich der HSV für eine schöne Greenwashing-Kampagne nutzen und bezahlen lässt.

Der Shell-Konzern – ökologische Nachhaltigkeit?

Denn es ist auch so, dass die Shell Deutschland GmbH die deutsche Tochtergesellschaft des niederländischen Mineralölkonzerns Royal Dutch Shell ist und somit mittelbar an den vielen Umweltkatastrophen der Vergangenheit und anderen fragwürdigen Geschehnissen verantwortlich ist. Die Shell Deutschland GmbH hat im Jahr 2020 einen Umsatz von 13 Milliarden in ihren Büchern verbuchen dürfen.[1]

Diese haben ihren Ursprung vorwiegend in der Herstellung und dem Vertrieb von Produkten im Energiesektor, worunter auch die erneuerbaren Energien und Wasserstofferzeugnisse fallen dürften. Allerdings in verschwindend geringem Anteil. Ganze 50 Ladesäulen im kompletten Bundesgebiet[2] (2019, aktuellere Daten Fehlanzeige) sind nicht mehr als ein symbolischer Tropfen auf den heißen Stein. Denn bekannt ist Shell vor allem durch den Handel mit erdölbasierten Kraftstoffen und dem Betrieb von Tankstellen, womit wir auch bei dem größten Kritikpunkt wären:

Der Konzern ist für mehrere Umweltkatastrophen verantwortlich, am bekanntesten ist wohl die Ölpest im Nigerdelta aus dem Jahr 1960, die bis heute andauert und bereits 408.000 Tonnen Rohöl und raffinierte Produkte freigesetzt hat. Das rücksichtslose Vorgehen von Shell zielt darauf ab, Pipelines bis zur Schrottreife zu nutzen, Umweltauswirkungen kleinzurechnen, das nächste Ölleck bewusst in Kauf zu nehmen und das Ganze obendrein abzustreiten.[3] Auch die Eigenaussage von Shell Deutschland GmbH, im Jahr 2050 ein Netto-Null-Emissionsunternehmen sein zu wollen, ist fragwürdig. Zumal ein Gericht erstinstanzlich in Den Haag im Jahr 2021 dem niederländischen Mutterkonzern mit auf den Weg gab, seine CO2-Emissionen schon bis 2030 um 45% senken zu müssen und die oben bereits angesprochenen Scope-3-Emissionen miteinzubeziehen. Andere Öl-Multis machen Shell bereits vor, wie Scope-3-Emissionen berücksichtigt und konkrete Maßnahmen benannt werden können. Was diese Konkurrenten natürlich nicht heiligspricht, aber dafür Shell umso mehr entlarvt.[4] Denn Shell wird für den Ausstoß von 31,95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Zeitraum 1965 – 2019 verantwortlich gemacht, wodurch sie auf Platz 7 landeten. Es gibt also weltweit nur 6 Unternehmen, die in der Vergangenheit noch mehr zum Treibhauseffekt beigetragen haben als Shell.[5]

Zynisch zusammengefasst, ließe sich sagen, dass selbst die HSV-Mitgliedschaft gar nicht so viele „Run For The Oceans“-Kilometer erlaufen könnte, um wettzumachen, was Shell in den letzten 60 Jahren schon angerichtet hat, künftige Schäden noch gar nicht miteingerechnet. Als bittere Ironie empfinden wir die Tatsache, dass sich auch der Hamburger Weg als Stiftung zu Shell ins Boot setzt und die Partnerschaft mitträgt. Denn der Hamburger Weg veranstaltete bereits in der Vergangenheit Workshops für Schulklassen zum Thema Nachhaltigkeit im Stadion.[6] Dass diese Aktionstage nun indirekt mitgefördert werden sollen, von einem Konzern, der durch Urteile nach zähen und mehrjährigen Gerichtsprozessen an die eigenen Pflichten und Beiträge zur Energiewende erinnert werden muss, ist ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust.

Der Shell-Konzern – soziale Nachhaltigkeit?

Obwohl die ökologischen Argumente mehr als ausreichend sind, ergeben sich auch auf sozialer Ebene massive Kritikpunkte: Denn uns allen dürfte das aktuelle Thema ein Dorn im Auge sein – der Tankrabatt in Höhe von 35 Cent je Liter, um die Verbraucher:innen zu entlasten. Davon sollen im Durchschnitt nur ca. 10 Cent angekommen sein. Die Ölkonzerne, und somit auch Shell, konnten ihre Margen dagegen um etwa 25 Cent je Liter steigern, die direkt in den Kassen von Shell versickern.[7]

Der Shell-Konzern saß im damals größten Korruptionsprozess aller Zeiten auf der Anklagebank.[8] Außerdem kam es in Den Haag zu einer Anklage gegen Shell wegen rechtswidriger Festnahmen, Inhaftierungen und Hinrichtungen, durchgeführt vom nigerianischen Militär, im Auftrag von Shell.[9]

Diese Liste ließe sich problemlos noch weiter fortführen, aber folgender Punkt ist jetzt schon deutlich geworden: Nämlich, dass der HSV nicht von diesen dreckigen Geschäftspraktiken profitieren darf.

Der Shell-Konzern – finanzielle Nachhaltigkeit?

Ein Blick auf die Jahreshauptversammlung 2022 zeigt, dass sogar die eigenen Aktionäre, also jene, die von dem schmutzigen Geschäft profitieren, Druck aufbauen und verbindliche Zusagen für den Klimaschutz fordern, auch wenn es bedeutet, dann selbst weniger Geld daran zu verdienen.[10]

Wenn also nicht mal mehr die eigenen Anteilseigner Vertrauen in das Geschäftsmodell von Shell haben, fragen wir uns, wo der HSV dieses Vertrauen hernimmt und wie die Fans dieses Vertrauen haben sollen?

Fazit: Es gibt unzählige Belege, die zeigen, dass der Shell-Konzern in der Vergangenheit einen erheblichen Beitrag zur Klimakrise geleistet hat, die Profite in schwierigen Zeiten auf den Rücken der Bevölkerung steigert und dafür notfalls auch über wortwörtlich Leichen geht. Das ist absolut kein Unternehmen, das wir im Zusammenhang mit dem HSV sehen oder lesen wollen. Wir fordern, dass der HSV umgehend von dieser Partnerschaft zurücktritt.

Unser Volksparkstadion ist keine Image-Waschmaschine für Öl-Konzerne!

Förderkreis Nordtribüne e.V. im Juni 2022

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/496033/umfrage/umsatz-der-shell-deutschland-oil-gmbh/

[2] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/elektromobilitaet-shell-startet-den-bau-von-e-ladestationen-auf-tankstellen-/24328880.html

[3] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/oelkatastrophe-in-nigeria-shells-schande-1.2293186

[4] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/benzinpreise-oel-statt-oeko-die-renditegier-der-tankstellenkonzerne-a-f5069052-a121-4745-a305-b6a3c7723842

[5] https://www.theguardian.com/environment/2019/oct/09/revealed-20-firms-third-carbon-emissions

[6] https://www.hsv.de/unser-hsv/die-hsv-stiftung-der-hamburger-weg-1/klassenzimmer/aktionstage/nachhaltigkeit

[7] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/tankrabatt-benzin-preis-konzerne-gewinn-kritik-100.html

[8] https://www.dw.com/de/%C3%B6l-firmen-vor-gericht-schmutzige-gesch%C3%A4fte-in-nigeria/a-42806184

[9] https://www.dw.com/de/verbrechen-in-nigeria-shell-vor-gericht/a-47476224

[10] https://www.theguardian.com/business/2021/may/18/shell-faces-shareholder-rebellion-over-fossil-fuel-production 

Statement der aktiven Gruppen der Nordtribüne Hamburg

 

Moin HSV-Fans,

wieder einmal liegt eine Saison voller Höhen und Tiefen hinter uns. Packende Siege, die wir nur zu gerne im Stadion miterlebt hätten, und die langersehnte Rückkehr ins Stadion als aktive Fanszene lassen uns durchaus positiv auf das vergangene Jahr zurückblicken. Trotz eines mitreißenden Schlussspurts, der gezeigt hat, wie viel Potential in unserer jungen Mannschaft steckt und dass es sich lohnt bis zuletzt an sich zu glauben, hat es in der Relegation am Ende leider wieder nicht gereicht. Nun also ein weiteres Jahr 2. Liga.

Wir blicken dabei optimistisch auf die kommende Spielzeit und obwohl Mannschaft und sportliche Leitung den Aufstieg als Ziel ausgerufen haben, sollte allen klar sein, worauf es auch in dieser Saison am Ende wirklich ankommt: Leidenschaft, Kampf und Geschlossenheit. Wir wollen die Mentalität aus den letzten Spielen der Vorsaison vom ersten bis zum letzten Spieltag auf dem Rasen sehen und die Saison mit genau diesen Werten als Einheit mit unserer Mannschaft bestreiten! 

Auch abseits des Platzes muss dieser Zusammenhalt spürbar sein. Unrealistische Erwartungshaltungen, Grabenkämpfe in den Führungsetagen und mediale Unruhen sollen den HSV nicht länger belasten, sondern der Vergangenheit angehören. Niemand ist größer als unser Verein!

Gradmesser für die Erfüllung unserer Erwartungen werden auch in diesem Jahr die Spiele gegen die ewige Nummer Zwei der Stadt sein, die nach ihrem kurzzeitigen Höhenflug nun auch wieder etwas unsanft auf dem Boden der Tatsachen angekommen sein sollte. Lasst uns gemeinsam keine Zweifel daran aufkommen lassen, wer in dieser Stadt auch in Zukunft das Sagen haben wird!

Wir haben der Mannschaft bereits persönlich zugesichert, dass wir sie auf den Rängen mit derselben Leidenschaft unterstützen werden, die wir auch von ihr erwarten. Gemeinsam für unsere Farben. Gemeinsam für unsere Stadt. Auf geht’s HSV!

 Die aktiven Gruppen der Nordtribüne

Aufarbeitung des Auswärtsspiels in Düsseldorf

Auch mehr als zwei Wochen nach unserem Auswärtsspiel in Düsseldorf beschäftigen uns und viele andere HSV-Fans noch die Geschehnisse rund um die Hin- und Rückreise in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. Für viele war es das erste Spiel im Stadion nach langer Zeit. Viele haben sich darauf gefreut, unseren HSV endlich wieder wie gewohnt zu unterstützen. So groß die Vorfreude gewesen sein mag, so groß ist die Ernüchterung danach, dass die Polizei die Hin- und Rückreise zu einem Beispiel überzogener Freiheitseinschränkungen, mangelnder Kommunikation und unprofessionellen Verhaltens gemacht hat. Die vielen Erfahrungsberichte und unsere eigenen Erfahrungen zeugen von einem auf ganzer Linie misslungenen und überzogenen Einsatztag der Polizei. 

Die Bundespolizei gibt in ihrer Pressemitteilung an, dass ein unter anderem mit HSV-Fans gefüllter Zug in Gelsenkirchen wegen verschiedener Straftaten, die von HSV-Fans begangen worden sein sollen, angehalten wurde und die Türen dieses Zuges kurzfristig versperrt wurden. Richtig ist, dass der Zug für knapp zwei Stunden gestoppt wurde. Die Türen des Zuges und die Notentriegelung wurden für mindestens 45 Minuten blockiert. Also nicht nur kurzfristig für 15 Minuten, wie die Bundespolizei in ihrer Pressemitteilung angibt. So bestand in dieser Zeit nicht einmal die Möglichkeit frische Luft in die Wagen zu lassen. Neben HSV-Fans betraf dies auch alle anderen Reisenden, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in dem Zug aufhielten. Weiterhin kam es zu einem medizinischen Notfall, den die außenstehenden Polizist*innen aufgrund der blockierten Türen erst mit einiger Verzögerung mitbekamen. HSV-Fans waren hier nicht Ursache des Zwischenfalls, sondern helfend tätig. 

Uns berichteten mehrere HSV-Fans unabhängig voneinander, dass auch am Hauptbahnhof in Düsseldorf die Lage chaotisch gewesen sei. Bereits vor dem Spiel filmte die Polizei die am Stadion wartenden Fans, ohne dass es hierfür einen Anlass gegeben hätte. 

Nach dem Spiel besserte sich die Situation leider nicht. Zunächst wurde über eine Stadiondurchsage und durch die Polizei bei den HSV-Fans der Eindruck erweckt, dass die Shuttle-Busse zum Hauptbahnhof in Düsseldorf fahren würden. Nachdem viele Fans aufgrund viel zu weniger Busse lange auf die Abfahrt warten mussten, stellte man fest, dass die Shuttle-Busse zum Bahnhof Düsseldorf Flughafen fahren. Dort erwartete die HSV-Fans vor dem Bahnhof ein Polizeikessel. Dies betraf neben denen, die zurück nach Hamburg fahren wollten auch Fans, die noch Wertsachen in Schließfächern am Hauptbahnhof hatten, gar nicht aus Hamburg kamen oder noch eine Hotelübernachtung in Düsseldorf planten. Einige Beamte ließen diese Fans gegen Vorzeigen eines Schließfachschlüssels, eines Personalausweises zur Adressprüfung oder einer Hotelrechnung aus dem Kessel. Andere Beamte ließen dies nicht zu. Auch Toilettengänge und eine Möglichkeit, Wasser oder Essen zu kaufen, wurden den Fans verwehrt. Aus welchem Grund die Polizei so extrem reagierte ist nicht nachvollziehbar. Einen Bezug zu den HSV-Fans, denen das Fehlverhalten auf der Hinfahrt vorgeworfen wird, haben diese Maßnahmen in jedem Fall nicht mehr. Dass mehrfach von Seiten der anwesenden Polizist*innen ein „Sonderzug für die Fans nach Hamburg“ angekündigt wurde, während die Rückreise natürlich in Regelzügen der regionalen Bahnanbieter absolviert wurde, stellt eine schöne Beschreibung der mangelhaften Kommunikation an diesem Samstag dar. 

Es entsteht der Eindruck, dass die zu diesem Zeitpunkt auch immer gereizter, einschüchternder und eskalativer auftretende Polizei hier „die HSV-Fans“ für etwas bestrafen wollte. Das offensichtliche Desinteresse einiger Polizist*innen an dehydrierten Fans während der begleiteten Rückfahrt untermauert diesen Eindruck. Gleiches gilt für die künstlich verkürzten Zwischenstopps, die dazu führten, dass Wasser oder Essen auf der Rückfahrt nicht gekauft werden konnten. Dass mit der BFE der Bundespolizei hierfür zum wiederholten Male bei einem Auswärtsspiel des HSV in NRW eine Polizeieinheit, die nicht nur in Kreisen von Fußballfans einen besonders schlechten Ruf genießt, extra eingeflogen wurde, sagt in unseren Augen weniger über die HSV-Fans aus, dafür umso mehr über das Rechtsverständnis der verantwortlichen Personen in NRW. 

Die Rechte von Fußballfans ohne Anlass in einer solchen Weise zu beschränken, ist nicht hinnehmbar. Gleiches gilt für die Rechte anderer Reisender, die aufgrund der vollständigen Blockierung der Türen in Gelsenkirchen ihren Anschluss verpassten, einen medizinischen Notfall erlitten haben oder schlicht in dem Zug gefangen waren. An dieser Stellen wollen wir uns bei allen HSV-Fans bedanken, die uns ihre Eindrücke von der Hin- und Rückreise nach Düsseldorf geschildert haben. Enttäuscht sind wir – wie auch viele andere HSV-Fans – über die undifferenzierte Berichterstattung vor allem auch in der Hamburger Presselandschaft. Wir werden uns auch in Zukunft weiterhin für die Rechte von Fußballfans einsetzen – auch bei Auswärtsspielen in NRW. Dabei hoffen wir auch auf eine kritische Öffentlichkeit und Unterstützung durch Vereinsvertreter*innen. 

Fanhilfe Nordtribüne

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