Stellungnahme zur Einlasssituation am Millerntor

Im Folgenden möchten wir die Stellungnahme des Supporters Club mit euch teilen.

Die Derby-Niederlage steckt uns noch in den Knochen, aber wir sind uns sicher, dass unsere Mannschaft schnell wieder in die Spur findet und an der positiven Entwicklung der letzten Wochen anknüpft. Abseits des Platzes gab es leider Missstände, zu denen wir hiermit Stellung nehmen möchten:

Wir fordern eine unabhängige, zeitnahe und vollständige Aufklärung des Polizeieinsatzes beim Derby und dessen Verhältnismäßigkeit.

Des Weiteren möchten wir den Einlass am Gästebereich scharf kritisieren. Die baulichen Gegebenheiten am Eingang des Gästeblockes sind schon lange fragwürdig und wurden bereits von zahlreichen Fanszenen kritisiert. Die Zustände am Freitag waren besonders schlimm und hätten schnell noch deutlich schlimmer enden können.

Ein großer Teil des Gästeanhangs kam zeitgleich am verschlossenen Gästeblock an. Warum das Stadion erst 90 Minuten vor Anpfiff öffnete, ist uns nicht klar. So mussten die Fans, eingepfercht von Polizei und Zäunen, ohne Zugang zu Sanitäranlagen, warten. Eine frühere Öffnung des Stadions hätte sicherlich für Entzerrung und Entspannung gesorgt. Als es schließlich losging, wurde nur ein Zugangstor geöffnet, hinter dem zwei Kontrollen und Drehkreuze warteten. So mussten mehrere tausend Anhängerinnen und Anhänger durch ein Tor von rund drei Metern Breite. Dass sich genau an diesem Nadelöhr, gerade zu Beginn der Stadionöffnung, ein enormer Zustrom an Menschen entwickeln würde, muss im Vorfeld klar gewesen sein. Es ist der Besonnenheit aller Anwesenden und dem Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen von Fankultur und Fanprojekt zu verdanken, dass in dem Gedränge keine Massenpanik ausbrach. Die Konsequenzen wären dramatisch gewesen.

Zu der knappen Zeit, den wenigen Drehkreuzen und überfordert wirkendem Ordnungspersonal kamen zudem noch unlesbare Barcodes der Print-At-Home Tickets. Uns erreichen zahlreiche Meldungen, dass es Probleme mit dem Scannen gab und damit sehr unterschiedlich verfahren wurde: Einige durften mit gültigen Tickets unter dem versperrten Drehkreuz hindurchkrabbeln. Andere wurden mit einem gültigen Gästeticket zum Heimbereich (!) geschickt. Wiederum Andere erhielten die Anweisung, es doch einfach nochmal zu probieren. Das führte dazu, dass der Scanner das Ticket verweigerte, weil es ja schon einmal eingescannt wurde. Diesen Fans wurde der Einlass trotz gültiger Tickets verboten, sie mussten ihre Personalien bei der Polizei abgeben und erhalten laut Aussage der Polizei eine Anzeige wegen versuchtem Betrug.

Die Zustände am Freitag sind inakzeptabel. Wir sollten nicht warten, bis schlimmeres passiert, sondern jetzt handeln. Daher sprechen wir mit allen Beteiligten und werden so versuchen, dass sich die Situation vor Ort ändert. Für Gästefans aller Vereine. Um die Situation am Freitagabend besser zu dokumentieren bitten wir alle HSVerinnen und HSVer, sich bei uns zu melden, wenn sie ihre Erlebnisse und Probleme teilen möchten. Schreibt an supporters@hsv.de.

Stellungnahme SKA

Nicht wenige von uns werden sich noch schmerzlich an den 13.08.2021 zurückerinnern – an diesem Tag verlor unser HSV das Auswärtsderby beim ungeliebten Stadtrivalen mit 3:2, bevor im Rückspiel die Kräfteverhältnisse geradegerückt werden konnten. Allerdings hinterließ nicht nur das Geschehen auf dem Rasen einen mehr als bitteren Beigeschmack, sondern auch die Einsatzkräfte der Polizei Hamburg taten ihr Übriges dazu. Anlässlich einer kürzlich gestellten Schriftlichen Kleinen Anfrage zu diesem Thema möchten wir die Geschehnisse nochmals Revue passieren lassen und einen Ausblick zur anstehenden Auswärtspartie gegen den Stadtteilverein liefern.

Was war passiert?

Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Beschränkungen der Coronavirus-Eindämmungsverordnung war ein regulärer Stadionbesuch noch in weiter Ferne. Daher entschloss sich ein Tross von HSV-Fans, gemeinsam zu Fuß den Weg vom Bahnhof Holstenstraße in Richtung des Hans-Albers-Platzes anzutreten, um in den dortigen Lokalen das Spiel zu verfolgen. Der Polizei Hamburg stieß dieser Plan derart sauer auf, dass diese nach kurzer Festsetzung aller Anhänger*innen den geplanten Fußmarsch untersagte und stattdessen verfügte, dass diese den Weg nur in Kleingruppen à 10 Personen zurücklegen dürften. Diese Einsatztaktik führte dazu, dass schon an der Kreuzung Holstenstraße/Max-Brauer-Allee Angriffe von Fans des FC St. Pauli auf die in Kleingruppen befindlichen Anhänger*innen des HSV erfolgten. In der Folge kam es allein auf HSV-Seite zu 27 Ermittlungsverfahren, einigen Stadionverboten und noch diversen Stadionverbotsverfahren. Gleichzeitig sind auch schon einige Ermittlungsverfahren eingestellt worden.

Was ist eine Schriftliche Kleine Anfrage?

Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft haben die Möglichkeit, dem Senat in Form von Schriftlichen Kleinen Anfragen Fragen vorzulegen, um auf diese Weise die Arbeit des Senats zu überwachen und die für die parlamentarische Arbeit notwendigen Informationen zu erhalten. Der Senat ist verpflichtet, diese Fragen innerhalb von 8 Tagen Schriftlich zu beantworten.

Wie sind die Antworten des Senats zu bewerten?

Vorab sei gesagt: wer sich von den Antworten des Senats eine ergebnisoffene und kritische Auseinandersetzung mit dem polizeilichen Vorgehen erhofft haben sollte, wird enttäuscht sein. Wenig überraschend stellt sich der Senat hinter die Einsatztaktik und versucht diese mit teils widersprüchlichen, teils rechtlich schlichtweg falschen Erwägungen zu untermauern. Aber seht selbst.

Zunächst begründet der Senat die Entscheidung zum Laufen in Kleingruppen mit Gründen der Gefahrenabwehr und der Durchsetzung der zu dieser Zeit geltenden Coronavirus-Eindämmungsverordnung. Jedoch wurde laut diverser Berichte von Augenzeug*innen die Einhaltung der in eben dieser Verordnung festgeschriebenen Mindestabstände durch die Festsetzung der Fans am Holstenplatz unmöglich gemacht, was seitens des Senats auch nicht bestritten wird. Allerdings soll angesichts der dynamischen Situation eine „kurzfristige“ Unterschreitung der Mindestabstände – faktisch über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten– unvermeidbar und unter freiem Himmel auch hinnehmbar gewesen sein. Inwiefern es aber nicht hinnehmbar gewesen sein soll, anstatt eines minutenlangen Polizeikessels in engem Gedränge einen Marsch unter Einhaltung der Abstände zuzulassen, erschließt sich nicht. Diese Entscheidung war allem Anschein nach auf einen Alleingang des zuständigen Einsatzführers zurückzuführen – nicht einmal die eigenen Szenekundigen Beamten wurden in die Entscheidung eingebunden, geschweige denn sachkundigere Akteur*innen wie etwa das Fanprojekt. Es gilt an dieser Stelle noch mal festzuhalten, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit ohne das Zutun der Polizei Hamburg nie zu dieser Eskalation gekommen wäre.

Unklar bleibt auch die genaue Tragweite der seitens des Senats angeführten Gründe der Gefahrenabwehr. Der Begriff stammt aus dem Polizeirecht und kann jeden potenziellen Verstoß gegen irgendeine rechtliche Norm meinen – welche genau in diesem Fall betroffen gewesen sein soll, geht aus der Antwort aber leider nicht hervor, sodass der Aussagegehalt gegen Null geht. Allerdings hätte potenziell auch ein Verstoß gegen die Coronavirus-Eindämmungsverordnung genügt, auf die sich der Senat in der Antwort zu Frage 6 auch beruft. Angesichts der widersprüchlichen Begründung wirkt dies mehr als fragwürdig. Insgesamt überwiegt daher der Eindruck, dass es sich bei der Einsatztaktik schlichtweg um eine Mischung aus schlechter Planung und gezielter Repression gegen Fußballfans handelte.

Die intransparente Linie der handelnden Behörden zieht sich auch in Bezug auf die Aufarbeitung des Einsatzes weiter durch. So begnügt sich der Senat mit der Feststellung, eine interne Einsatzaufarbeitung auf allen erforderlichen Ebenen durchgeführt zu haben und beruft sich im Übrigen auf einsatztaktische Gründe, insbesondere die der Geheimhaltung unterliegende „Polizeidienstvorschrift Führung und Einsatz bei der Polizei“. Allerdings soll nach Ansicht des Senats die Entscheidung zur Untersagung des Fußmarsches im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Dass allein hierdurch Angriffe auf HSV-Fans ermöglicht wurden, welche in den beschriebenen Sanktionen endeten, wird dabei geflissentlich ausgeblendet. Überraschend ist dies aber nicht, wenn man bedenkt, dass die Innenbehörde unter Führung des allseits beliebten Polizeifreunds Andy Grote für die Ausarbeitung der Antwort verantwortlich war – Korpsgeist und Loyalität sind offensichtlich wichtiger als eine ergebnisoffene Aufarbeitung, welche diesen Namen auch verdient.

Schließlich erlaubt sich der Senat noch einen groben inhaltlichen Schnitzer, welcher symptomatisch für das wenig durchdachte Vorgehen in dieser Angelegenheit steht. So wurden diverse Personendaten von verdächtigen Personen an die beiden beteiligten Vereine weitergegeben, damit diese Stadionverbote aussprechen können. Jede Datenweitergabe an Private muss auf einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage beruhen, welche der Senat in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sieht. Hierbei übersieht er jedoch leider, dass die DSGVO auf die Datenverarbeitung zu Zwecken der Strafverfolgung oder der Verhütung von Straftaten gar nicht anwendbar ist und somit nicht als entsprechende Rechtsgrundlage in Frage kommt. Ob nun hinter dieser Fehleinschätzung tatsächlich mangelnde Rechtskenntnis oder fehlende Motivation zur Beschäftigung mit der Schriftlichen Kleinen Anfrage steckt – in jedem Fall wirft sie ein mehr als zweifelhaftes Licht auf die Antwort des Senats.

Ausblick

Nun steht das nächste Auswärtsderby unmittelbar vor der Tür und wird aller Voraussicht nach wieder von einem polizeilichen Großaufgebot unter einer personell sehr ähnlich aufgestellten Polizeiführung begleitet werden. Mögliche Hoffnungen auf personelle und inhaltliche Konsequenzen für die Einsatzleitung werden durch die Mauertaktik des Senats leider stark gedämpft. Allerdings zeigt die Thematisierung dieser Geschehnisse auf politischer Ebene deutlich, dass Fußballfans mit ihrer seit Jahren geäußerten Kritik an polizeilichen Vorgehensweisen nicht allein sind. In jedem Fall werden wir ein sehr wachsames Auge auf den Umgang mit Fans durch die Einsatzkräfte haben und fordern jede*n auf, etwaiges Fehlverhalten nach Möglichkeit zu dokumentieren und an die Fanhilfe Nordtribüne zu melden.

Fanhilfe Nordtribüne im Oktober 2022

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