Moin Nordtribüne,
nachdem unser HSV den Start in die Saison, trotz aller Gegentor-Diskussionen, durchaus erfolgreich gestaltete, möchten wir die Länderspielpause nutzen um unsere alljährliche „Quo Vadis HSV ?“-Textreihe fortzuführen und einen übergeordneten Blick auf den HSV werfen. Dabei wollen wir uns mehr den Geschehnissen neben dem Platz widmen und unsere Eindrücke sowie Einschätzungen mit euch teilen.
Nach einem Jahr mit vielen Höhen, aber auch einigen Tiefen, blicken wir auf eine Saison 2022/2023 zurück, in der die sportlichen Ziele mit dem Nichtaufstieg und dem misslungenen Saisonendspurt knapp verfehlt worden sind – das ist Fakt und lässt sich auch nicht schönreden. Seit 2018 hat der HSV es nicht geschafft, sich gegen die Zweitligakonkurrenz durchzusetzen und das trotz finanzieller Kaderaufwendungen, die Jahr für Jahr in den Top 3 einzuordnen sind. Gerade wenn die beiden Aufsteiger der letzten Saison Darmstadt und Heidenheim heißen, die mit teilweise deutlich weniger finanzieller Mittel den Aufstieg schafften, hoffen wir, dass in diesem Sommer die richtigen Entscheidungen getroffen wurden und die Rückkehr in die Bundesliga gelingt.
Gleichzeitig haben wir jedoch eine Mannschaft gesehen, die sich für unseren Verein aufopfert, kämpft und bis ans Limit geht. Zudem merken wir jeden Spieltag, dass die Bindung zwischen Mannschaft und Fans so eng wie lange nicht ist. Das macht definitiv Lust auf die Zukunft und sollte eine Motivation für jeden Einzelnen von uns sein. Nach dem Derbysieg gegen den Stadtteilverein konnten wir auch endlich wieder auf dem Platz zeigen, dass wir die unangefochtene Nummer eins der Stadt sind und den Derbyfluch der vergangenen Jahre besiegen. In den Relegationsspielen wurden uns letztlich die Grenzen aufgezeigt und der Klassenunterschied wurde deutlich. Dennoch hat die Mannschaft auch hier gezeigt, dass Einsatz, Wille und die Leidenschaft stimmt und wir uns über eine positive Entwicklung freuen dürfen.
DER HSV LEBT DURCH SEINE FANS
Zur Entwicklung im Volksparkstadion, insbesondere auf der Nordtribüne Hamburg, kann ebenfalls ein positives Fazit gezogen werden. Heimspiele mit 53.500 Zuschauern im Schnitt und stets ausverkauften Gästeblöcken in den Stadien Deutschlands haben gezeigt, zu was unsere Fanszene in der Lage ist und welche Begeisterung dieser Verein auslösen kann, was auch zweifelsohne an der Gemeinschaft, Dynamik und den Aktionen auf der Tribüne liegt. Besonders der Auftritt in Düsseldorf mit knapp 20.000 HSV-Fans auf einem Freitagabend zum 30-jährigen Bestehen des Supporters Clubs, dürfte ganz Fußballdeutschland in Erinnerung bleiben.
Wir als Förderkreis Nordtribüne e.V. konnten in der vergangenen Saison fünf Busfahrten (Bayreuth, Heidenheim, Düsseldorf, Magdeburg, Relegationsspiel HSV Frauen in Berlin) anbieten, die sehr gut angenommen wurden und stets ausgebucht waren – das macht Lust auf mehr. Darüber hinaus gab es die womöglich meisten Sonderzüge in der Historie des Supporters Clubs innerhalb von knapp zwei Monaten mit drei angebotenen Fahrten. Auch wenn die Spiele nicht immer positiv für uns ausgingen, waren alle Fahrten von guter Laune geprägt.
Abschließend noch ein Blick auf die Relegationsspiele gegen den VfB Stuttgart aus der Sicht unserer Tribüne. Wie gewohnt konnten wir den Auswärtsblock bis auf den letzten Platz füllen und auch hier zeigen, dass wir uns stimmungstechnisch vor keiner Fanszene in Deutschland verstecken müssen. Optisch konnte das Spiel leider aufgrund von Maßnahmen des gastgebenden Vereins und dem Verbot von Fahnen nicht wie geplant eingeläutet werden. Materialverbote sind leider wieder vermehrt ein Thema, wie wir auch schon zu Beginn der jetzt laufenden Saison in Essen, erleben mussten. Wir schließen uns der Stellungnahme des HSV zu Materialverboten an und finden es gut, dass der HSV sich hier an die Seite der Fans stellt.
Zum Rückspiel konnten wir eine Choreografie über die gesamte Nordtribüne zeigen. In Anbetracht der kurzen Vorlaufzeit auf das Relegationsspiel konnte ein wirklich starkes Gesamtbild gezeigt werden mit der Darstellung unserer Raute. Mit dem Treffer zum 1:0 wurde eine gigantische Atmosphäre im Volksparkstadion erzeugt, die jedem noch lange in Erinnerung bleiben dürfte. Auch wenn das Spiel am Ende nicht zu unseren Gunsten verlief, können wir sowohl sportlich, als auch stimmungstechnisch, auf eine erfolgreiche Zukunft hoffen und unterm Strich ein positives Fazit der vergangenen Saison ziehen.
Weiter so Nordtribüne – gemeinsam geben wir auch in dieser Saison alles für unsere Stadt und unseren Verein!
VERSAGEN IM PRÄSIDIUM
Vereinspolitisch ist zunächst das in vielen Fällen dilettantische Agieren des Präsidiums des HSV e.V. weiterhin präsent und wirft noch immer viele Fragen auf. Von einem „Vereint 2025“ ist der HSV auf vielen Ebenen noch immer weit entfernt, was viele Ereignisse seit August 2021 unter Beweis stellen. Vor allem bei den bedeutsamen Themen, wie der Besetzung des Aufsichtsrats oder in der Zusammenarbeit mit den weiteren Gesellschaftern der HSV Fußball AG, tut sich das Präsidium um Marcell Jansen offenbar sehr schwer. Nicht nur die Besetzung des Aufsichtsrats 2021 und die darauffolgende „Causa Wüstefeld“ bleibt vielen in negativer Erinnerung, sondern auch das mitunter peinliche Vorgehen Anfang dieses Jahres, als offenkundig versucht wurde Eric Bussert und Detlef Dinsel in den Aufsichtsrat des HSV zu berufen, lässt professionelles Wirken des Präsidiums vermissen. So konnte der Einzug von Detlef Dinsel, der vorher als Investor beim FC Augsburg tätig war, und ein möglicher Anteilserwerb von Dinsel durch Fan- und vereinsinterne Proteste verhindert werden. Passend dazu hatte Castaways im Februar bereits Stellung bezogen (https://nordtribuene-hamburg.de/statement-zu-detlef-dinsel/) und verdeutlicht unsere Kritik an dem Vorgehen der handelnden Personen. Die inzwischen korrigierte Besetzung des Aufsichtsrats im Februar 2023 sorgte für viel Unruhe und lies eine professionelle Zusammenarbeit bei der HSV Fußball AG oft nicht zu. Zudem darf beim Thema geschlechtliche Vielfalt die Besetzung des Aufsichtsrats weiterhin kritisch gesehen werden. Insgesamt ist das Wirken des Präsidiums wenig souverän und Entscheidungen werden regelmäßig durch Druck anderer Akteure im HSV korrigiert. Die Kommunikation zwischen dem Präsidium und den Organen der AG, also Vorstand und Aufsichtsrat, scheint gestört und es fehlt an gegenseitigem Vertrauen.
Wie bereits angedeutet, waren die vergangenen anderthalb Jahre lange Zeit dominiert von der Diskussion um (Prof.) (Dr.) Thomas Wüstefeld. Der Weg, über einen Anteilskauf in den Aufsichtsrat berufen zu werden, dort den Vorsitz zu übernehmen, um dann letztendlich sich vom restlichen Aufsichtsrat in den Vorstand des HSV entsenden zu lassen, ist ein Weg, der einen stutzig macht und an den Qualifikationsvoraussetzungen für einen Vorstandsvorsitzenden zweifeln lässt. Die Zeit von Wüstefeld im Vorstand war geprägt von AG-internen Streitigkeiten, welche sich unter anderem in dem Machtkampf zwischen Jonas Boldt auf der einen Seite und Michael Mutzel, sowie Wüstefeld auf der anderen Seite, ausdrückte. Auch das Präsidium des HSV, insbesondere Marcel Jansen als Präsident und damaliger Aufsichtsratsvorsitzender, hat in dieser Zeit versagt, Thomas Wüstefeld offensichtlich falsch eingeschätzt und die Konflikte in der AG Führung nicht eindämmen können. Der Abgang und die Kommunikation, gepaart mit vielen Unklarheiten, lässt uns rückblickend an der Professionalität der entscheidenden Gremien zweifeln.
QUO VADIS VORSTAND
Der Vorstand der HSV Fußball AG scheint nach dem Ausscheiden von Wüstefeld und der Ernennung von Eric Huwer zum Vorstand mit Jonas Boldt grundsätzlich gut aufgestellt. Wir vernehmen Fortschritte in der Kommunikation und freuen uns über die bereits erwähnte Haltung zu Fanmaterialien sowie der Umgang mit dem Thema Pyrotechnik. Der Austausch darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in letzter Zeit auch einige Entscheidungen gefällt wurden, die wir für falsch halten.
Die erneute Aufnahme eines Darlehens bei der Kühne Holding halten wir für gefährlich. Die Vergangenheit mit Kühne hat gezeigt, dass er Darlehen gerne nutzt, um Einfluss auf den HSV auszuüben. Wir hoffen, dass mit der Aufnahme des Darlehens sich auch über die Rückzahlung Gedanken gemacht wurde. Ein Großteil des Geldes soll für Investitionen ins Stadion und andere nachhaltige Projekte fließen, ein weiterer Teil des Geldes soll aber auch in den Spielerkader fließen. So zeigt aber auch dieser Transfersommer, dass wir dabei nicht in alte Muster verfallen, denn große Investitionen in den Spielerkader steigern die Kaderkosten auf Jahre, obwohl durch die zu erwartenden Mindereinnahmen aus zukünftigen TV-Verträgen nachhaltiges Wirtschaften entscheidend ist und „eine Wette auf die Zukunft“ schon einige Vereine an den Rand der Insolvenz trieb. Eine mögliche Umwandlung des Darlehens in Anteile an der HSV Fußball AG sehen wir kritisch und fordern Transparenz, sowie Weitsicht der handelnden Personen. Was Investoren (sogar ohne Stimmrecht) mit sehr großen Beteiligungen anrichten können, lässt sich aktuell bei Hertha BSC beobachten. Mittelfristig muss der HSV unabhängig von externen Geldgebern werden, um selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen.
Trotz des sportlich misslungenen Aufstieges, spielen wir zumindest bei den Ticketpreisen in der ersten Liga – und das sogar im oberen Drittel auf Champions-League-Niveau. Wird das Stadtderby teurer bewertet als ein Champions-League-Spiel in der K.O.-Runde und ist damit die Spitze des Eisberges, zeugen „ab“-Preise, sechs verschiedene Preiskategorien und offensichtlich willkürlich gewählte Topspielzuschläge nicht von Transparenz und Wertschätzung gegenüber denjenigen, die auch in sportlich schweren Zeiten das Faustpfand sind. Leider zeigen auch die ersten Spieltage der neuen Saison, dass dort noch viel Arbeit vor uns liegt und gegenseitiger Austausch gefragt ist, dem wir uns gern stellen. Zu dieser Thematik hatten wir uns in der vergangenen Saison mit einem Statement geäußert (https://nordtribuene-hamburg.de/stellungnahme-zu-den-aktuellen-ticketpreisen) und den Protest sichtbar ins Stadion getragen. Unsere Forderungen bleiben dabei unverändert: echte Wertschätzung zeigt sich unserer Ansicht nach in stabilen, sozialverträglichen Ticketpreisen, die alle teilnehmen lassen und transparent für jeden Fan nachzuvollziehen sind. Dass wir darüber hinaus Tickets für ein Spiel im Volksparkstadion erwerben, versteht sich für uns von selbst und wir hoffen, dass die viel zitierte „Festung Volksparkstadion“ ihren Namen nicht wieder verliert. Auch hier werden wir die Entwicklungen weiter beobachten und entsprechend begleiten.
AUSBLICK
Ein weiteres Thema, welches vermutlich im nächsten halben Jahr verstärkt auf der Agenda stehen wird, ist eine mögliche Rechtsformreform. Nachdem vor anderthalb Jahren durch einen Antrag der Initiative „Unser HSV“ eine Kommission eingesetzt wurde, die eine mögliche Rechtsformänderung prüfen sollte, wurde bei der letzten Mitgliederversammlung ein Auftrag zur Ausarbeitung einer möglichen Rechtsformänderung hin zu einer KGaA gegeben. Dieses Thema werden wir in den kommenden Monaten eng begleiten und freuen uns über eine Partizipation der Fans innerhalb der Kommission. Wichtig bleibt für uns, dass eine mögliche Rechtsformänderung nicht die Rolle des HSV e.V. und uns Mitgliedern schwächt, sondern die Mitgestaltung des HSV weiterhin ermöglicht wird und Mitgliederrechte untermauert werden. Dabei ist es wichtig, dass wir aus Fehlern der Vergangenheit lernen, den eingeschlagenen Weg weitergehen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des HSV stellen. Demütig, unaufgeregt und getrieben von dem Zusammenhalt innerhalb unseres HSV. Wir bleiben dran, um die Zukunft des HSV gemeinschaftlich zu gestalten, voller Leidenschaft und mit einer klaren Haltung.
Für eine laute, bunte und kritische Kurve – Auf geht’s Nordtribüne. Auf geht’s HSV!