Stellungnahme zum Polizeieinsatz in Kirchweyhe

8. Oktober 2024

Fanhilfe Nordtribüne bezieht Stellung zu Polizeieinsatz in Kirchweyhe, bei dem mehrere hundert HSV-Fans als Zeug*innen festgestellt wurden. Die Fanorganisation kritisiert zudem die auf Unwahrheiten basierende Berichterstattung.

Auch am Sonntag machten sich wieder viele HSV-Fans auf den Weg zum Auswärtsspiel ihres Vereins. Auf der Anreise kam es zu einer mehrstündigen polizeilichen Maßnahme am Bahnhof Kirchweyhe, in deren Folge mehrere hundert HSV-Fans das Spiel bei Fortuna Düsseldorf verpassten. Die Umstände der Maßnahme und die Berichterstattung über diese zwingen uns dazu, zu diesem Vorfall noch einmal ausführlicher Stellung zu beziehen.

In einem Wagen eines Regionalzugs zwischen Bremen und Osnabrück, in dem auch HSV-Fans saßen, soll es zu einer Auseinandersetzung von anderen Bahngästen und dem Einsatz eines Feuerlöschers im Zuginneren gekommen sein. Zwei Personen, die auch den Feuerlöscher im Inneren des Zuges entleerten, sollen dabei verletzt worden sein. Diesen wünschen wir eine gute Genesung.

Im Folgenden gaben die eingetroffenen Polizeikräfte an, dass für eine Feststellung von potenziellen Zeug*innen die Identitäten aller anwesenden HSV-Fans festgestellt werden müssten. Diese hatten sich mittlerweile auf dem gesamten Bahnsteig verteilt. Über mehrere Stunden wurden die Personalien der HSV-Fans festgestellt und Fotos von ihnen angefertigt. Unklar bleibt, wieso die Polizei offenbar allein an den Identitäten sämtlicher HSV-Fans auch aus anderen Teilen des Zuges interessiert war und nicht einmal versucht hat, Reisende aus dem betroffenen Waggon ausfindig zu machen. Dass ein Großteil der Anwesenden keinerlei Angaben zum Sachverhalt machen konnte und mit der Maßnahme nicht einverstanden war, war den Polizeikräften durch ausdrückliche Hinweise bekannt.

Im Anschluss wurde die Maßnahme beendet und allen HSV-Fans freigestellt, die Fahrt Richtung Düsseldorf fortzusetzen. Es wurde weder die Weiterfahrt zum Spiel untersagt, noch wurden HSV-Fans festgenommen. Die anwesenden HSV-Fans entschieden frei und selbstständig, die Rückfahrt nach Hamburg anzutreten, da ein Erreichen des Spielorts während des Spiels auch aufgrund von Verzögerungen nach dem Ende der polizeilichen Maßnahme nicht mehr möglich war. Die betroffenen HSV-Fans wurden auf der Rückreise nach Hamburg nicht von Einsatzkräften der Bundespolizei eskortiert.

Aufgrund der stundenlangen Sperrung der Bahnstrecke zwischen Bremen und Osnabrück wegen der Feststellung potenzieller Zeug*innen erreichten auch hunderte andere HSV-Fans, die mit Zügen unterwegs waren, das Stadion erst zur 2. Halbzeit. Darüber hinaus waren auch unzählige andere Reisende von der Sperrung betroffen, die Flüge verpassten, zu spät zur Arbeit kamen oder ihren Besuch bei der Verwandtschaft absagen mussten.

Es drängt sich die Frage auf, ob die Identifizierung von einigen wenigen Zeug*innen das Festhalten und Feststellen von mehreren hundert Personen mit den gravierenden Einschränkungen für den Bahnverkehr rechtfertigt. Geradezu offensichtlich ist die Frage, warum von mehreren hundert potenziellen Zeug*innen, deren Identität über die vorliegenden Personalausweise zweifelsfrei festgestellt werden konnte, Fotos angefertigt werden mussten. Bei einigen der potenziellen Zeug*innen wurden darüber hinaus noch Fotos von der Seite oder bestimmten Körperteilen gemacht – so wie es bei Beschuldigten üblich ist. Diese Praxis wurde erst nach Intervention der Fanhilfe Nordtribüne eingestellt. Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Nicht-Beschuldigten sind unter diesen Umständen nicht nur nicht notwendig, sondern vor allem unzulässig. Wir werden dieses gegen Fußballfans mittlerweile bekannte Vorgehen auch in diesem Fall juristisch überprüfen lassen.

Fassungslos sind wir allerdings darüber, dass ein Sprecher der Polizei Niedersachsen gegenüber der Presse nachweislich Unwahrheiten verbreitet und so ursächlich dazu beigetragen hat, dass in der bundesweiten Berichterstattung das Bild von mehreren hundert randalierenden HSV-Fans gezeichnet wird, welche auf wehrlose Fahrgäste einprügeln. Wir halten deswegen noch einmal fest: Unter den anwesenden HSV-Fans wurden einige wenige Zeug*innen gesucht. Es wurde weder die Weiterfahrt zum Spiel untersagt, noch wurden HSV-Fans festgenommen. Alle Pressevertreter*innen fordern wir auf, sich den Aufruf des Deutschen Journalisten-Verbandes zu Herzen zu nehmen und „Polizeiberichte und -meldungen als eine von mehreren möglichen Quellen in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen“. Die Vorgänge vom Sonntag zeigen wieder einmal, warum das unkritische Abschreiben von Polizeimeldungen ein Problem ist.

Am Ende dieses Tages bleiben viele Kollateralschäden eines Polizeieinsatzes und einige offene Fragen. Betroffene Personen können sich per Mail (fanhilfe@nordtribuene-hamburg.de) bei uns melden.

Fanhilfe Nordtribüne
im Oktober 2024

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