Einfluss von Investoren beim HSV

1. Dezember 2020

 

Moin Nordtribüne,

immer wieder hat sich die aktive Fanszene des HSV in der Vergangenheit kritisch zu Investoren im Allgemeinen und zu Klaus-Michael Kühne als größtem Investor des HSV im Speziellen geäußert. Aufgrund der aktuellen Debatten um die Zukunft des Profifußballs, aber auch wegen der von HSV-Vorstand Frank Wettstein in die Diskussion gebrachten weiteren Anteilsverkäufe, wollen wir unsere Standpunkte erneut darlegen.

Seit 1998 dürfen die Lizenzspielerabteilungen der Vereine aus den Stammvereinen, bei denen es sich um eingetragene Vereine handelt, ausgegliedert werden. Inzwischen haben die meisten der Erst- und Zweitligavereine ihre Profiabteilungen in verschiedene Rechtsformen ausgegliedert. Die am weitesten verbreitete Rechtsform ist die GmbH & Co. KGaA.[1] In dieser Rechtsform können bis zu 100 % der Aktien verkauft werden, da die Vereine trotzdem bis zu 100 % der Stimmanteile halten können. Anders ist es bei Vereinen wie dem HSV, die in einer Aktiengesellschaft (AG) ausgegliedert sind. Bei dieser Rechtsform haben Aktionäre schon ab mehr als 25 % der Anteile erheblichen Einfluss in wichtigen Entscheidungen. Grund dafür ist die sogenannte Sperrminorität. Wer über eine Sperrminorität verfügt, z.B. indem der Investor 25,1 % der Anteile erhält, kann bestimmte Projekte verhindern, die eine Mehrheit von 75 % benötigen, um durchgeführt zu werden. Der größte Anteilseigner der HSV Fußball AG ist der HSV e.V. mit 76,2 %. Die Kühne Holding AG von Klaus-Michael Kühne besitzt 20,6 %. Die restlichen 3,2 % teilen sich die Familie Burmeister, Helmut Bohnhorst und die Erben des im Mai 2016 verstorbenen Alexander Margaritoff. Auf der Mitgliederversammlung 2019 wurde in der Satzung verankert, dass Anteilsverkäufe von über 25 % nicht ohne Einwilligung der Mitgliedschaft erfolgen dürfen. Sollte der Vorstand der HSV Fußball AG Anteilsverkäufe von über 25 % in Erwägung ziehen, ist eine ¾-Mehrheit auf einer einberufenen Mitgliederversammlung nötig.

Mitsprache der Fans

Der deutsche Fußball hat immer noch relativ demokratische Strukturen im Vergleich zu anderen großen Ligen in Europa. Wir halten demokratische Strukturen für wichtig, um die Vereine im Sinne der Fans und Mitglieder zu erhalten und um einer weiteren Entfremdung von der Basis entgegen zu wirken. Wohin es führt, wenn eine demokratische Kontrolle und Mitbestimmung durch die Mitglieder fehlt, kann in England beobachtet werden. So ist z.B. der Wimbledon FC nach der Übernahme durch einen Investor in eine andere Stadt verlegt worden und spielt seitdem unter dem Namen Milton Keynes Dons.[2]

Auch wenn in Deutschland die Möglichkeiten einer demokratischen Partizipation in Fußballvereinen immer noch gegeben sind, wurden sie durch die zahlreichen Ausgliederungen der letzten Jahre massiv eingeschränkt. Der Einfluss von Vereinsmitgliedern auf den Profibereich ist dadurch immer weniger möglich. Auch beim HSV, wo vor der Ausgliederung – z.B. bei der Wahl des Aufsichtsrates oder bei Satzungsänderungen – demokratische Mitbestimmung auch im Profibereich möglich war und durchaus gelebt wurde, ist die aktuelle Mitwirkung nur noch in mittelbarer Form zulässig. So stimmt die Mitgliederversammlung beispielsweise über Satzungsänderungen im e.V. ab oder wählt den Präsidenten des HSV e.V., der wiederum Aufsichtsratsmitglied in der HSV Fußball AG wird.

Das reduzierte Mitspracherecht hat eine deutlich geringere Partizipation an den Mitgliederversammlungen des Vereins zur Folge. Waren beim HSV e.V. vor der Ausgliederung seiner Profiabteilung regelmäßig vierstellige Mitgliederzahlen auf den jährlichen Mitgliederversammlungen des Vereins zu verzeichnen, besuchten diese in den letzten Jahren oftmals nur noch wenige hundert Mitglieder. Außerdem ist der Einfluss der Abteilung Fördernde Mitglieder / Supporters Club, als Vertretung der Fans innerhalb des HSV e.V., auf die (fanrelevanten) Prozesse der HSV Fußball AG nur noch minimal. Mit dem Ständigen Arbeitskreis Fandialog (SAF) gibt es zwar eine Plattform, auf der der Verein einen Austausch mit delegierten Fans ermöglicht, jedoch ist die Bedeutsamkeit und Einbringung auch hier sehr limitiert. Positiv im Verein hervorzuheben ist der Bereich Fankultur, inklusive der aktuellen Fanbetreuung. Sie hat bei vielen Themen verstanden, wie sie Fans mit einbeziehen kann und lässt unsere Meinungen regelmäßig in die HSV Fußball AG mit einfließen. Dennoch gibt es aktuell kein Gremium von Fans, mit dem sich die HSV Fußball AG bei fanrelevanten Themen vorher abstimmen muss. Hier sollten Möglichkeiten der Mitgestaltung (neben den geläufigen Dialogen) in Zukunft betrachtet werden.

Um Mitsprachemöglichkeiten in den Vereinen zu gewährleisten, erachten wir die Beibehaltung der 50+1-Regel für wichtig. Darüber hinaus schließen wir uns der Forderung von Zukunft Profifußball an, die ein Ende der Ausnahmeregelung für Vereine wie Hoffenheim, Leverkusen & Co. fordern. Zudem begrüßen wir den Vorschlag, für bestimmte Kapitalgesellschaften eine 75+1 Regel einzuführen, damit Beschlüsse des Stammvereins im Falle einer Aktiengesellschaft nicht durch Investoren verhindert werden können.

Rechtsform

Die Rechtsform der AG erscheint uns als nicht geeignet für den HSV. Ihr Rahmen wird gesetzlich vorgegeben, der AG-Vorstand agiert praktisch unabhängig vom e.V. und eine Mitbestimmung von Mitgliedern des Stammvereins ist nur sehr indirekt möglich.[3] Insofern haben wir die ersten Anzeichen einer Rechtsformänderung interessiert zur Kenntnis genommen und werden diesen Prozess weiter aufmerksam verfolgen. Für uns sollte bei einer möglichen Rechtsformänderung die demokratische Mitbestimmung durch die Mitglieder bzw. der Einfluss des HSV e.V. gestärkt und der Fokus nicht auf weitere Anteilsverkäufe gelegt werden. Aktuell nehmen wir allerdings Abstand von Spekulationen zur möglicherweise passendsten Rechtsform, da sich (wie schon im ersten Text beschrieben) die aktuelle Lage der HSV Fußball AG für uns als zu undurchsichtig und intransparent darstellt, um das beurteilen zu können. Sollten sich die Pläne einer Rechtsformänderung konkretisieren, würde wohl jeder HSV-Fan einen ehrlichen Austausch, offene Diskussionen und maximale Transparenz begrüßen. Wir sollten aus der Vergangenheit lernen und möglichst gemeinsam die Grundsteine für die Zukunft des HSV legen. Anteilsverkäufe haben in der Vergangenheit nicht den erhofften sportlichen Erfolg gebracht und sollten nicht weiter forciert werden. Es darf nicht heißen: „das Geld ist knapp, also müssen Anteilsverkäufe her“. Vielmehr sollte die aktuelle Finanzlage transparent gemacht werden und ein Finanzkonzept ohne weitere Anteilsverkäufe gefunden werden.

Eine reine Änderung der Rechtsform reicht aus unserer Sicht allerdings nicht aus, um den Einfluss von Investoren zu begrenzen. Manche Entwicklungen und Vorgänge bereiteten vielen HSV-Fans in der Vergangenheit Magenschmerzen, insbesondere die Zusammenarbeit mit unserem größten Anteilseigner. Obwohl Herr Kühne bisher nicht über 25 % der Anteile am HSV verfügt, hat er doch in einer Vielzahl von Angelegenheiten Einfluss auf das operative Geschäft des HSV genommen. So hat er bereits mögliche Kredite für den HSV an Bedingungen gekoppelt, beispielsweise bei teuren Vertragsverlängerungen oder Transfers, die sich im Nachgang alles andere als erfolgsbringend erwiesen. Herr Kühne hat dem HSV in der Außendarstellung durch sein erpresserisches Verhalten und offensichtliche Einflussnahme, teilweise mithilfe von (Spieler-)Beratern, in der Vergangenheit erheblich geschadet. Eine „strategische Partnerschaft“ stellen wir uns anders vor. Wir hoffen, dass derartig polarisierende Meldungen endgültig der Vergangenheit angehören und dass die Entscheidungen, wie vom aktuellen Sportvorstand angekündigt, vollumfänglich im Volkspark getroffen werden. Es darf aus unserer Sicht insbesondere mit Herrn Kühne keine weitere Zusammenarbeit geben, bei der Investments an Bedingungen geknüpft werden und der HSV somit unter Druck gesetzt werden könnte.

Wettbewerbsverzerrung

Neben dem Verlust der Mitbestimmung von Fans führen manche Investorenmodelle auch zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung. So werden Verluste, die zum Beispiel der VfL Wolfsburg macht, vom VW-Konzern gedeckelt. Insbesondere in der jetzigen Krise geraten viele Vereine, die ohne finanzstarke Investoren im Hintergrund auskommen müssen, in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Hier ist der Vorteil mancher Investoren/Konzern-Clubs deutlich spürbar, da deren Schulden von den Geldgebern quasi „verbucht“ werden.

Ein bestehender Lösungsansatz ist das Financial Fairplay[4]. Ein funktionierendes Financial Fairplay soll es Vereinen verbieten, sich über externe Geldgeber zu refinanzieren. Deshalb dürfen Vereine (in der Theorie) nur das ausgeben, was sie durch Sponsoren, Fernseheinnahmen und Fans einnehmen. Die Liga und der Fußball würden von Reformen, die einen faireren Wettbewerb möglich machen, profitieren. Dazu gehört auch die faire Verteilung von Fernsehgeldern. Seitens der Taskforce Profifußball ist es vorgesehen, dass sich das DFL-Präsidium und die DFL-Mitgliederversammlung mit den 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga als zuständige Gremien mit den Erkenntnissen der Arbeitsgruppen befasst. Wir wünschen uns, dass der HSV-Vorstand sich sowohl intern als auch öffentlich positiv zu Reformbemühungen positioniert und sich innerhalb der Liga, insbesondere auch bei der Befassung mit der Arbeit der Taskforce Profifußball, für diese einsetzt.

 

Förderkreis Nordtribüne e.V. im Dezember 2020

[1] 36 Bundesliga-Vereine: GmbH & Co. KGaA (14), eingetragene Vereine (12), GmbH (5), AG (5), Quelle: www.de.wikipedia.org/wiki/50%2B1-Regel

[2] www.11freunde.de/artikel/der-klub-ist-tot-lang-lebe-der-klub/514431

[3] Mehr dazu hier: www.zukunft-profifussball.de/vereine-als-demokratische-basis-konzept

[4] Mehr Infos zum Financial Fairplay hier: www.zukunft-profifussball.de/integritat-des-wettbewerbs-konzept

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